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Erik Jan Hanussen
Foto: Freedom Studio / Shutterstock.com

Erik Jan Hanussen - der Hellseher der Weimarer Republik

Als sich Erik Jan Hanussen einen Namen in Berlin gemacht hat, konnte man ihn noch nicht wirklich als Hellseher bezeichnen. Vielmehr betätigte er sich als Varietékünstler, Hypnotiseur und ganz nebenbei als Hellseher. In Berlin betrieb er den "Palast des Okkultismus", wo er berauschende Partys zu feiern wusste. Man kommt nicht umhin, ihn als Super-Star zu bezeichnen. Dann aber wurde eine seiner Vorhersehungen wahr: der Reichstagsbrand. Was er allerdings zu diesem Zeitpunkt noch nicht wusste, war, dass er damit sein eigenes Todesurteil unterzeichnet hatte. Wer aber war Erik Jan Hanussen eigentlich? Wo kam er her?

Erik Jan Hanussen, wie er einst lebte

Er erblickte in ärmlichen Verhältnissen, mit dem Namen Hermann Chajm Steinschneider das Licht der Welt. Er hatte in den ersten Jahren seines Lebens nicht viel zu lachen. Doch lernte er, sein angeborenes Charisma zu nutzen. Dies kombiniert mit einer gehörigen Portion Skrupellosigkeit liess ihn Berlin im Sturm erobern. Die Menschen waren begeistert von ihm. Er war DER Star am Revuehimmel der Weimarer Republik. Eines musste er dafür aber tun - seine jüdische Herkunft verbergen.

Natürlich stellt man sich die Frage, wie er so erfolgreich werden konnte. Die Antwort liegt in seiner Anpassungsfähigkeit an diese Zeitspanne. Er verstand es, die Bedürfnisse der Menschen nach dem Geheimnisvollen, dem Okkulten ebenso zu befriedigen wie dem Wunsch nach Spass und Vergnügen. Keiner beherrschte die Magie, das Verzaubern des Publikums, aber auch das vermeintlich betrügerische Hellsehen, das jeder so liebte, wie er. Somit wird er als absolutes Kind seiner Zeit bezeichnet.

Schaut man genauer hin, so ist er eigentlich ein kleiner Betrüger gewesen. Denn in seinem Palast des Okkultismus waren überall kleine Abhöranlagen versteckt. Wie hätte er sonst genau auf die Fragen seiner Klienten in puncto Hellsehen antworten können? Es war ihm in den Anfängen wahrlich egal, denn er wollte nur eines - berühmt und erfolgreich sein. Er hätte jeden Trick, jeden Betrug genutzt, um seinen Ruhm halten zu können. In der High Society ging er somit ein und aus. Auch die Kontakte zu den Nationalsozialisten waren sehr eng. Man sagt, dass er in diesen komplizierten Zeiten den Menschen eine Form von Ersatzreligion angeboten hat. Wer zu ihm kam, konnte sicher sein, dass Hanussen ihm erzählte, wie sich die kommende Zeitspanne für ihn gestalten würde. Nicht, dass tatsächlich alle Vorhersagen eintrafen. Dennoch gaben sie den Menschen ein Gefühl der Sicherheit, etwas, das sie sich bereits vorstellen konnten. So ist es nicht verwunderlich, dass die Menschen förmlich bei ihm Schlange standen, um positive Nachrichten durch seine Hellseherei zu erhalten. Wie viel davon geflunkert und wie viel echtes Hellsehen war, kann niemand mehr so genau sagen. Wahrscheinlich war es eine Mischung aus beidem.

Es sollte seine letzte Vorhersage sein

Auch wenn es für Hanussen ein Spiel mit dem Feuer war, hatte er sich doch mit einigen hochrangigen Nationalsozialisten angefreundet. Vermutlich ist ein Teil seiner Vorhersage über den Reichstagsbrand aus ihren Reihen zu ihm durchgesickert. Doch wie er so war, hat er diese Information genutzt. Dass sie ihm in diesem Fall kein Glück bringen sollte, konnte er in seinem Drängen nach Genialität nicht erkennen. Es ist nur eine Vermutung, dass er für die Nationalsozialisten zum roten Tuch wurde und sie ihn lieber beseitigen wollten. Wer weiss, was er sonst alles noch hätte ausplaudern können? Auch wird vermutet, dass er, aufgrund seines beträchtlichen Vermögens, den falschen Menschen Geld geliehen hatte. Seine soziale Vernetzung war optimal und sehr ausgeweitet, sodass niemand genau wusste, ob er zu dem Netzwerk gehörte oder nicht. Doch das Leihen von Geld machte diese Menschen angreifbar, ja sogar erpressbar. Man kann sich vorstellen, dass niemand in dieser Zeitspanne sich diese Blösse geben konnte. Es war also nur eine Frage der Zeit, bis man sich seiner entledigen musste.

Und danach?

Es ist richtig, dass Hanussen eine grosse Lücke bei den Menschen hinterliess. Wer sollte ihnen nun ihre Frage bezüglich der Zukunft beantworten? Vergessen wir nicht, dass die Zeiten sehr schwierig gewesen sind. In schwierigen Zeiten möchte jeder gerne einmal einen Blick in die hoffentlich bessere Zukunft erhaschen. Diese Option wurde den Menschen, in deren Kreisen Hanussen verkehrte, mit einem Schlag genommen. Natürlich gab es überall im Lande auch andere Hellseher, die nur eben nicht so berühmt waren. Doch waren auch ihre Trefferquoten nicht unbedingt schlecht. Ja, die Menschen mussten sich umgewöhnen. Denn die meisten Hellseher umgeben sich nicht mit so viel Tamtam und Tütü. Aber ist es nicht gerade diese Kombination gewesen, die ihn eigentlich für alle Bevölkerungsschichten so interessant gemacht hat?



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